Wie können wir Ihnen helfen?

Die Mistel

Sie sind hier:
< Alle Themen

Der Kuss unter dem Mistelzweig ist ein weit verbreiteter Brauch. Doch die Mistel hat noch viel mehr zu bieten:

Lebensraum

Misteln sind Blütenpflanzen, die nicht in der Erde wurzeln, sondern auf Bäumen oder Sträuchern leben und sich von ihren verholzenden Wirtspflanzen mit Wasser und Nährstoffen versorgen lassen. Die Weissbeerige Mistel (Viscum album) weist unter den weltweit mehr als 1’000 Mistelarten das grösste Wirtsspektrum auf. In Mitteleuropa kommt sie mit drei Unterarten vor:

  • als Laubholzmistel (V. album ssp. album) auf verschiedenen Laubbäumen wie Apfelbaum, Eiche, Ulme, Pappel, Ahorn, Linde, Birke
  • als Kiefernmistel (V. album ssp. austriacum) auf Kiefern
  • als Tannenmistel (V. album ssp. abietis) auf Tannen.

Die Unterarten der Weissbeerigen Mistel unterscheiden sich neben einigen morphologischen Merkmalen vor allem in pharmakologischen Eigenschaften.

Gestalt und Entwicklung

Die Mistel unterscheidet sich in vielen botanischen Merkmalen von anderen Blütenpflanzen. Besonders auffällig ist die langsame Entwicklung der kugelrunden Mistelbüsche. Wie alle Mistelarten bildet auch die Weissbeerige Mistel keine Wurzel, die ins Erdreich vordringt und dort Wasser sowie Mineralstoffe aufnehmen könnte. Stattdessen entwickelt der Mistelkeimling im Wirtszweig ein so genanntes Haustorium, das ihm Anschluss an das Wasserleitsystem des Baumes vermittelt und die Versorgung mit Wasser, Mineralien sowie bestimmten organischen Substanzen ermöglicht.

Im Vergleich mit den meisten Blütenpflanzen ist die Sprossentwicklung der Weissbeerigen Mistel stark gehemmt. Anstatt im Laufe einer Vegetationsperiode rasch viele Blätter für eine optimale Photosynthese zu bilden, entwickelt sich aus der Sprossknospe jeweils nur ein Stängel mit einem Paar einfacher Blätter. Grosse Mistelbüsche sind deshalb oft bereits weit über 10 Jahre alt.

Im Vordergrund steht bei der Weissbeerigen Mistel die Bildung der weiss leuchtenden Früchte, die sich aus unscheinbaren Blüten entwickeln.

Inhaltsstoffe

Misteln weisen eine Fülle unterschiedlicher mineralischer und organischer Inhaltsstoffe auf. Pharmakologisch von besonderem Interesse sind zwei misteltypische Substanzen: die Viscotoxine und die Mistellektine.

Indem die Mistel mit dem Wasserleitsystem des Wirtsbaumes verbunden ist, übernimmt sie die darin gelösten Mineralstoffe, die jede Baumart in den für sie spezifischen Verhältnissen aus dem Erdboden aufnimmt. Vor allem im Frühjahr gehen auch mit dem Saftstrom aufsteigende organische Substanzen vom Baum in die Mistel über. Dazu gehören Aminosäuren, niedermolekulare Zucker sowie pflanzliche Sekundärstoffe, die neben den Mineralstoffen Grundlage für die Wirtsbaumprägung der Mistel sind.

Viscotoxine und Mistellektine sind dagegen Eiweissubstanzen, die von der Mistel gebildet werden. Ihre Konzentration variiert je nach Unterart der Mistel und je nach Wirtsbaum, auf dem sie wächst. Viscotoxine erreichen ihre höchste Konzentration im Sommer in den jungen Blättern, die Mistellektine sind dagegen im Winter und in den älteren Stängeln am höchsten konzentriert.

Kultivierung der Mistel

Seit langem gilt es als anspruchsvolle Herausforderung, die Mistel auch auf Bäumen zu kultivieren, auf denen sie in der Natur nur selten vorkommt.
Für eine nachhaltige Kultivierung der Mistel auf Eichen und Ulmen gilt es, klimatisch geeignete Standorte mit optimalen Bodenbedingungen auszuwählen. Dort können ausgewählte Bäume ihre Disposition für die Mistel voll entfalten und unter optimalen Verhältnissen heranwachsen.
Anfangs werden auf Zweigen in der Kronenperipherie gezielt Mistelkerne ausgebracht, aus denen sich im Laufe mehrerer Jahre junge Mistelbüsche entwickeln. Später können Vögel die weitere Verbreitung der Mistel übernehmen.

Rhythmen der Mistel

Die räumlich gehemmte und zeitlich stark verzögerte Entwicklung der Mistel unterliegt strengen Rhythmen im Jahreslauf. Ende Mai zeigen die jungen Mistelzweige synchron pendelnde Wachstumsbewegungen, die bis Ende Juni anhalten. Dadurch lösen sich die Jahrestriebe aus der ursprünglich vertikalen Orientierung und werden auf das Zentrum des jeweiligen Mistelbusches ausgerichtet.

In den Achselknospen werden gleichzeitig die Organe der Mistelzweige angelegt, die sich im nächsten Frühjahr entfalten. Nach Bildung eines Blattpaares endet Mitte Juni die vegetative Entwicklung, indem anstelle weiterer Blätter die Anlage des Blütenstandes gebildet wird.

In den Früchten spiegelt sich die Umstimmung darin, dass der Mistelkern bis Ende Juni Nährgewebe anreichert, ab Juli dagegen die Mistelembryonen ausgestaltet werden. Rhythmische Formveränderungen in der sich entwickelnden Mistelfrucht deuten darauf hin, dass das Wachstum der Mistel auch mit dem Gang des Mondes vor den Sternbildern des Tierkreises verbunden ist.

Tierwelt der Mistel

Die Mistel hat vielfältige Beziehungen zur Tierwelt: Vögel sorgen für ihre Verbreitung, Insekten für die Bestäubung und verschiedene Gegenspieler für die Bestandesregulierung.
Mistelembryonen können sich nicht selbst aus der Frucht befreien. Die Mistel ist für ihre Verbreitung auf bestimmte Vögel angewiesen, die sich in der kalten Jahreszeit von Mistelbeeren ernähren und den klebrigen Mistelkern aus der Frucht befreien. Misteldrossel und Mönchsgrasmücke sind die wichtigsten Mistelverbreiter. Daneben spielen auch Seidenschwänze eine Rolle.

Die Mistel ist zweihäusig, männliche und weibliche Mistelblüten entwickeln sich auf verschiedenen Mistelbüschen. Weil der Wind den Mistelpollen nicht auf die Narbe weiblicher Blüten tragen kann, übernehmen Insekten, die auch im Winter aktiv sind, die Bestäubung der Mistel.
Natürliche Gegenspieler begrenzen die Ausbreitung der Mistel. Meisen vertilgen im Winter die Kerne und Embryonen der Mistel. Im Frühling fressen Schnecken die keimenden Mistelembryonen, aber auch junge Mistelzweige. Sogar Mäuse und Rehe haben die Mistel auf dem Speiseplan.

Inhaltsverzeichnis